Januar 14, 2025

Das Hochschulstärkungsgesetz – Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit und neue Bürokratielasten

Wenn aus einem Hochschulstärkungsgesetz ein Wissenschaftsschwächungsgesetz wird!

Der Entwurf des Hochschulstärkungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen hat mit den Paragraphen 84 bis 97 eine Vielzahl von Regelungen eingeführt, die vermeintlich auf die Schaffung eines „sicheren und redlichen Hochschulraums“ abzielen. Doch bei näherer Betrachtung wirft das Gesetz erhebliche verfassungsrechtliche Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf die durch Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz geschützte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre. Zudem drängt sich die Frage nach der Notwendigkeit dieser Regelungen angesichts bereits bestehender Gesetze wie dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf. Nicht zuletzt werden die Universitäten mit neuen Bürokratielasten konfrontiert, ohne dass für die Studierenden ein erkennbarer wissenschaftlicher Mehrwert entsteht.


Die relevanten Punkte des Gesetzesentwurfs (Paragraphen 84–97)

  1. § 84: Sicherer und redlicher Hochschulraum

    • Verpflichtung der Hochschulen zur Gewährleistung eines sicheren und diskriminierungsfreien Umfelds.

  2. § 85: Verhaltensregeln und Leitlinien

    • Möglichkeit des Senats, Verhaltensregeln für Hochschulmitglieder aufzustellen.

  3. § 86: Redlichkeitsverstöße und Maßnahmen

    • Definition von Verhaltensweisen, die als Redlichkeitsverstöße gelten, sowie mögliche Sanktionen.

  4. § 87: Sicherheitsverstöße und Sicherungsmaßnahmen

    • Einführung spezifischer Sicherungsmaßnahmen gegen Bedrohungen und Sicherheitsverstöße.

  5. § 88 bis § 92: Verfahren

    • Detaillierte Regelungen zu Verfahren bei der Behandlung von Sicherheits- und Redlichkeitsverstößen.

  6. § 93: Einbeziehung der Universitätskliniken

    • Universitätskliniken werden einheitlich in die Regelungen einbezogen.

  7. § 94 bis § 97: Disziplinarrecht und Sonderregelungen

    • Klärung des Verhältnisses zu bestehenden Disziplinargesetzen und Einführung von Sonderregelungen.


Verfassungswidrigkeit der Regelungen: Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit

Die in den Paragraphen 84 bis 97 vorgesehenen Regelungen greifen massiv in die Autonomie der Hochschulen ein und stellen eine potenzielle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit dar. Insbesondere § 85 und § 86 werfen kritische Fragen auf:

  1. Einflussnahme auf wissenschaftliche Arbeit:

    • Die Möglichkeit des Senats, Verhaltensregeln aufzustellen, könnte als indirekte Steuerung der wissenschaftlichen Arbeit interpretiert werden. Wissenschaftler könnten sich gezwungen sehen, ihre Arbeit im Einklang mit Verhaltensregeln auszurichten, anstatt frei zu forschen.

  2. Willkürliche Sanktionen:

    • Die weit gefasste Definition von „Redlichkeitsverstößen“ in § 86 ermöglicht Eingriffe, die nichts mit Wissenschaftsfreiheit zu tun haben. Die Sanktionen könnten eine abschreckende Wirkung auf Forschende haben und so die Entfaltung kreativer wissenschaftlicher Ideen hemmen.

  3. Gefahr der Vorzensur:

    • Die Verpflichtung, Forschungsergebnisse bei Verstoß gegen Redlichkeitsregeln zurückzuziehen, könnte als Form der Vorzensur missbraucht werden, was grundsätzlich mit Artikel 5 Absatz 3 GG unvereinbar ist.


Notwendigkeit fraglich: Bestehende Regelungen sind ausreichend

Die Zielsetzung des Gesetzes, einen sicheren und diskriminierungsfreien Raum zu schaffen, ist bereits durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und Artikel 3 GG umfassend abgedeckt. Das AGG verpflichtet alle Bildungseinrichtungen, Diskriminierung in jeglicher Form zu unterbinden. Zusätzliche Regelungen wie die in § 84 und § 85 eingeführten Vorgaben wirken daher redundant und sind nicht erforderlich.

Besonderheiten des AGG:

  • Klare Regelungen zu Diskriminierungsschutz.

  • Rechtsbehelfe für Betroffene.

  • Ein umfassendes und bewährtes rechtliches Instrumentarium.


Neue Bürokratielasten ohne wissenschaftlichen Mehrwert

Die Einführung der neuen Regelungen führt zu erheblichen administrativen Belastungen für die Hochschulen:

  1. Erhöhter Verwaltungsaufwand:

    • Die Einrichtung von Verfahren zur Überwachung und Durchsetzung von Verhaltensregeln (§ 85) sowie die Behandlung von Redlichkeits- und Sicherheitsverstößen (§§ 86–87) erfordert neue Stellen und Ressourcen.

  2. Komplexe Verfahren:

    • Die detaillierten Verfahrensvorgaben (§§ 88–92) bringen erhebliche organisatorische Herausforderungen mit sich, die von den Hochschulen getragen werden müssen.

  3. Kein erkennbarer Nutzen für Studierende:

    • Die Regelungen tragen nicht zur Verbesserung der Lehrqualität oder der wissenschaftlichen Ausbildung bei. Vielmehr schaffen sie ein Klima der Unsicherheit und stärken die Bürokratie auf Kosten der Wissenschaftsfreiheit.


Fazit: Ein fragwürdiges Gesetz ohne Mehrwert

Der Entwurf des Hochschulstärkungsgesetzes bringt gravierende Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit mit sich und stellt die Autonomie der Hochschulen infrage. Angesichts bereits bestehender Gesetze wie dem AGG ist die Notwendigkeit neuer Regelungen nicht nachvollziehbar. Zudem belastet das Gesetz die Hochschulen mit unnötiger Bürokratie, ohne dass die Studierenden oder die Wissenschaft davon profitieren.

Die Landesregierung sollte daher den Gesetzentwurf grundlegend überdenken und sich auf die Stärkung von Wissenschaft und Lehre konzentrieren, anstatt sie durch überflüssige Regelungen einzuschränken.

 

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