Juli 21, 2025

Öffentlich-rechtliche Verantwortung und demokratische Kultur – Sommerinterview mit Alice Weidel

 

Der Sachverhalt

Am 20. Juli 2025 führte die ARD im Rahmen ihrer Sommerinterview-Reihe ein Gespräch mit der Co-Bundesvorsitzenden der AfD, Dr. Alice Weidel. Dieses Interview wurde massiv durch eine Lärmaktion gestört, organisiert vom sogenannten „Zentrum für Politische Schönheit“. Durch leistungsstarke Lautsprecher, platziert auf dem Dach eines Busses am gegenüberliegenden Ufer der Spree, wurde das Interview für längere Zeit faktisch unhörbar gemacht. Chöre wie „Sch… AfD“ übertönten nicht nur die Fragen des Moderators, sondern verhinderten auch eine verständliche und sachliche Darstellung politischer Inhalte.


Der Maßstab: Der öffentliche Auftrag der ARD

Gemäß § 26 RStV (Rundfunkstaatsvertrag, heute ersetzt durch den Medienstaatsvertrag) sowie Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk zur objektiven, unparteilichen und umfassenden Information der Bevölkerung verpflichtet. Der Programmauftrag umfasst ausdrücklich die Förderung der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung als wesentlichen Bestandteil demokratischer Ordnung.

Die ARD ist in dieser Hinsicht keine private Plattform mit Redaktionsautonomie, sondern eine gebührenfinanzierte Anstalt öffentlichen Rechts. Dies verpflichtet sie nicht nur zur journalistischen Sorgfalt, sondern zur aktiven Wahrung chancengleicher Bedingungen für alle im demokratischen Wettbewerb stehenden Parteien, insbesondere bei der Vermittlung ihrer Positionen an das Wahlvolk.


Analyse des Vorgehens der ARD

Die Entscheidung der ARD, das Interview trotz der massiven Störungen nicht abzubrechen, nicht zu vertagen oder an einen geschützten Ort zu verlegen (obgleich das Hauptstadtstudio nur wenige Meter entfernt gelegen hätte), stellt ein eklatantes Versäumnis in der Erfüllung ihres verfassungsrechtlich fundierten Auftrags dar.

Durch das bewusste Fortführen des Interviews unter akustisch unzumutbaren Bedingungen wurde weder der Interviewten noch dem Publikum ein chancengleicher und inhaltlich klarer Austausch ermöglicht. Eine freie Meinungsbildung im Sinne von Art. 5 GG war unter diesen Umständen nicht mehr gewährleistet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat hier nicht – wie geboten – auf Sicherung der Diskursfreiheit hingewirkt, sondern sich in Passivität geübt.


Demokratische Wahlentscheidungen und mediale Verantwortung

Demokratische Wahlentscheidungen setzen voraus, dass Bürgerinnen und Bürger Zugang zu den Positionen aller zur Wahl stehenden Parteien haben, und zwar in sachlicher und ungestörter Form. Der Ausschluss oder die faktische Unmöglichkeit, sich über eine Partei eine eigene Meinung zu bilden – gleichgültig ob man diese Partei ablehnt oder unterstützt – widerspricht dem Demokratieprinzip und verletzt die notwendige Neutralitätspflicht staatlich finanzierter Medieninstitutionen.

Ein Interview, das über weite Strecken faktisch unverständlich ist, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Im Gegenteil: Die Fortsetzung der Sendung trotz der massiven Störungen kann als Billigung, zumindest aber als Inkaufnahme einer Einschränkung der Meinungsvielfalt gewertet werden.


Der Störer: Das Zentrum für Politische Schönheit

Verantwortlich für die gezielte Lärmaktion ist das „Zentrum für Politische Schönheit“ – eine Aktionskunstgruppe, die sich selbst als „aggressiv-humanistisch“ bezeichnet. In der Vergangenheit hat die Gruppe durch Aktionen von erheblicher Geschmacklosigkeit auf sich aufmerksam gemacht, etwa durch das Aufstellen einer symbolischen „Asche-Säule“ vor dem Bundestag, die angeblich Überreste von Holocaust-Opfern enthalten sollte. Diese Aktion wurde selbst von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem massiv kritisiert. Ihre jetzige Aktion zielte explizit auf die Verhinderung eines fairen medialen Auftritts der stärksten Oppositionspartei im Bundestag.

 

Die ARD hat durch ihr Verhalten im Sommerinterview mit Dr. Alice Weidel nicht nur versäumt, den öffentlich-rechtlichen Auftrag zur Sicherung einer ausgewogenen Berichterstattung zu erfüllen. Sie hat zudem ein demokratisches Grundprinzip unterlaufen: die Ermöglichung freier Meinungsbildung durch fairen Zugang aller politischen Kräfte zum medialen Diskursraum.

Ein Wiederholungstermin des Interviews wäre das gebotene Mindestmaß an professioneller und verfassungsrechtlich gebotener Reaktion. Darüber hinaus ist eine selbstkritische Prüfung der internen Abläufe und eine transparente Aufarbeitung dringend erforderlich.

 

1 Comment

  • Das Verhalten der ARD ist die eine Seite in dieser Angelegenheit.
    Die andere ist das Verhalten der Berliner Justiz.

    Obwohl die Aktion innerhalb der „Bannmeile“ stattfand, haben die Berliner Behörden wg. der Störaktion anscheinend keine rechtlichen Schritte gegen das Zentrum für politische Schönheit eingeleitet: Da der Bundestag nicht getagt habe, sei es insoweit nicht zu einer Behinderung gekommen.

    Dennoch war die Aktion m. E. nach dem „Bannmeilengesetz“ rechtswidrig, weil unangemeldet.
    Anscheinend unterstellt man in Berlin Rechtsnormen der politischen Opportunität …..

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