Überblick: Neubesetzung der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)
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Der bisherige Präsident der bpb, Thomas Krüger, ist nach 25 Jahren im Amt zum 31. August 2025 aus dem Dienst ausgeschieden. (bpb.de)
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Seitdem war die Leitung des Hauses vakant; interimistisch vertrat Cemile Giousouf die Behörde. (bpb.de)
Wer ist als neuer Präsident vorgesehen
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Als designierter neuer Präsident wird Sönke Rix benannt. (Deutschlandfunk)
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Rix war von 2005 bis 2025 Mitglied des Deutschen Bundestages für die SPD, zuletzt als stellvertretender Fraktionsvorsitzender – insbesondere innerhalb der „Parlamentarischen Linken“. (Deutschlandfunk)
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Er habe einen Schwerpunkt auf Bildung, Medien und Kultur gelegt – Qualifikationen, die inhaltlich zur Ausrichtung der bpb passten. (regionalHeute.de)
Zeitpunkt und Verfahren der Bestellung
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Die Koalition von CDU/CSU und SPD habe sich darauf geeinigt, dass das Vorschlagsrecht für den Präsidentenposten bei der SPD liegt. (Deutschlandfunk)
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Rix soll sein Amt zum 1. Januar 2026 antreten. (Politik & Kommunikation)
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Der Posten des Vizepräsidenten soll der Union (CDU/CSU) zustehen; ein Name hierfür lag zuletzt noch nicht vor. (Deutschlandfunk)
Bedeutung vor dem Hintergrund der institutionellen Entwicklung
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Die bpb zählt als Bundesoberbehörde mit Sitz in Bonn (und weiteren Standorten in Berlin und Gera) zur zentralen Institution der politischen Bildung in Deutschland. (Wikipedia)
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Unter Krüger hatte die bpb bereits die Herausforderungen der Digitalisierung und zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung mit neuen Formaten und verstärktem Fokus auf pluralistische politische Bildung adressiert. (bpb.de)
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Die Neubesetzung mit einem erfahrenen Parlamentarier wie Rix signalisiert Kontinuität — zugleich besteht Aufmerksamkeit darauf, wie seine Parteipositionierung (SPD, „Parlamentarische Linke“) Einfluss auf die programmatische Ausrichtung der Behörde haben könnte.
Aber: Darf eine klar parteipolitisch verortete Person die politische Bildung des Bundes leiten?
Kommentar
Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) ist seit ihrer Gründung darauf angelegt, politische Information überparteilich, plural und staatsfern bereitzustellen. Genau dieser institutionelle Anspruch ist verfassungsrechtlich flankiert: Politische Bildung muss dem Demokratieprinzip dienen – nicht der parteipolitischen Verwertung. Vor diesem Hintergrund wirft die Berufung eines ehemaligen langjährigen Bundestagsabgeordneten mit eindeutigem parteipolitischem Profil (hier: SPD, Parlamentarische Linke) notwendige verfassungs- und organisationsrechtliche Fragen auf.
1. Der verfassungsrechtliche Ausgangspunkt: Staatsfreie politische Bildung
Die bpb ist als Bundesoberbehörde organisatorisch dem BMI zugeordnet, inhaltlich aber in einer besonderen Pflicht zur Neutralität.
Dies folgt aus:
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dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, 2 GG),
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der Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 GG),
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der Neutralitätspflicht staatlicher Stellen (BVerfG zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, st. Rspr.).
Die Ausübung staatlicher Informations- und Bildungsarbeit muss nach der Rechtsprechung zurückhaltend, ausgewogen und nicht parteiergreifend erfolgen. Gerade deshalb ist die Leitung der bpb traditionell nicht mit aktiven Parteipolitikern besetzt worden.
2. Der Kern der Kritik: Gefahr einer parteipolitischen Wahrnehmungsverschiebung
Wenn ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter, der 20 Jahre parteipolitisch tätig war und erkennbar einem innerparteilichen Flügel zugeordnet wird, die bpb übernimmt, stellt sich die Frage:
Kann eine solche Person staatliche politische Bildung mit der notwendigen Distanz, Neutralität und institutionellen Selbstbeschränkung führen?
Dabei geht es nicht um persönliche Integrität, sondern um:
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Wahrnehmungsrisiken (Eindruck der Parteilichkeit),
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steuerungsoffene Schnittstellen zwischen bpb und Ministerium,
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programmatische Gewichtungen,
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und die Frage, ob politisch brisante Themen künftig mit derselben Pluralität behandelt werden.
In einem polarisierten Umfeld ist bereits der Eindruck von Parteilichkeit ein ernstes Legitimationsproblem.
3. Gesellschaftsrechtlich-organisationsrechtliche Bewertung
Die bpb ist keine Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigenem Aufsichtsgremium, sondern eine Bundesbehörde. Personalentscheidungen sind damit Regierungsentscheidungen, nicht pluralistische Gremienentscheidungen.
Das erzeugt strukturelle Risiken:
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Keine institutionalisierte parteiübergreifende Kontrolle,
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Kein unabhängiger Verwaltungsrat wie bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten,
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Keine gesetzliche Verankerung einer parteipolitischen Neutralität des Behördenleiters.
Mit anderen Worten: Organisationsrechtlich existieren keine Sicherungsmechanismen, die verhindern, dass ein Regierungswechsel oder parteipolitisches Kalkül das Amt mit loyalen Personen besetzt.
4. Warum lässt die CDU diese Besetzung zu? – Eine politisch-strategische Analyse
Die bpb richtet sich insbesondere an junge Erwachsene, Schüler, Studierende, Erstwähler – also an jene Zielgruppe, die für konservative Parteien in den vergangenen Jahren zunehmend schwerer erreichbar geworden ist. Umso überraschender wirkt es, dass die CDU/CSU der SPD das Vorschlagsrecht überlässt und der Personalie zustimmt.
Mögliche Erklärungsansätze:
(1) Koalitionsarithmetik und formale Ämterverteilung
Im Koalitionsvertrag ist das Vorschlagsrecht offenbar politisch „gehandelt“ worden – ein klassisches Besetzungspaket, bei dem die bpb als relativ „kleine“ Behörde im politischen Gewicht nicht priorisiert wurde.
(2) Vermeidung eines politischen Konflikts
Die Union könnte vermeiden wollen, an einem eher technokratisch wahrgenommenen Posten einen Koalitionsstreit zu provozieren, der medial gegen sie ausgespielt werden könnte.
(3) Fehlende strategische Wahrnehmung der bpb
Während die SPD politische Bildung (Themen wie Vielfalt, Antidiskriminierung, Demokratieförderung) oft als strategisches Feld begreift, wird es in Teilen der Union weiterhin als „pädagogischer Nebenbereich“ unterschätzt – trotz seiner enormen Bedeutung im digitalen Zeitalter.
(4) Vizepräsidentenposten als parteipolitisches Gegengewicht
Da der stellvertretende Präsident der Union zusteht, setzt die CDU möglicherweise auf ein internes Machtgleichgewicht – auch wenn das in der Praxis kaum denselben Einfluss bietet.
5. Ergebnis: Eine strukturell riskante Entscheidung
Die Entscheidung ist juristisch zulässig – aber politisch und institutionell riskant.
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Die bpb trägt maßgeblich zur demokratischen Grundbildung bei.
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Ihre Glaubwürdigkeit hängt unmittelbar von Neutralität, Distanz und Pluralität ab.
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Schon die objektive Wahrnehmung von Parteilichkeit kann dieses Vertrauen beschädigen.
Die zentrale Frage lautet daher:
Sollte die Leitung einer der wichtigsten Bildungsinstitutionen des Bundes einer klar parteipolitisch verorteten Person übertragen werden?
Die institutionelle Antwort müsste lauten: Nein – nicht ohne gesetzliche Sicherungen, Transparenz- und Kontrollmechanismen, die derzeit fehlen.
Dass die CDU dieser Personalie zugestimmt hat, lässt sich politisch erklären, aber demokratiepolitisch bleibt es ein Fehler: Wer politische Bildung ernst nimmt, muss auch die Strukturen schützen, die sie führen.