April 25, 2024

Wahlrechtsreform – warum so kompliziert?

Gliederung der mündlichen Verhandlung

Am 23. und 24. April 2024 fand vor dem Bundesverfassungsgericht eine mündliche Verhandlung in Sachen „Bundeswahlgesetz 2023“ statt. In diesem Verfahren wurden verschiedene Normenkontrollverfahren und Verfassungsbeschwerdeverfahren behandelt, die sich auf Änderungen des Bundeswahlgesetzes beziehen. Hier sind die wichtigsten Punkte:

  1. Antragsteller und Beschwerdeführer: Die Verhandlung betraf zwei Normenkontrollverfahren der Bayerischen Staatsregierung, Organstreitverfahren der Parteien CSU und DIE LINKE sowie Verfassungsbeschwerdeverfahren von mehr als 4.000 Privatpersonen und Bundestagsabgeordneten der Partei DIE LINKE.

  2. Änderungen des Bundeswahlgesetzes: Die Änderungen wurden durch das Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und das Fünfundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 8. Juni 2023 eingeführt.

  3. Kritikpunkte:

    • Zweitstimmendeckung: Einige Antragsteller kritisierten das Verfahren der Zweitstimmendeckung. Danach erhalten Wahlkreisbewerber mit den meisten Erststimmen ihres Wahlkreises nur noch dann ein Bundestagsmandat, wenn dies vom nach dem Zweitstimmenergebnis ihrer Partei und ihrer Landesliste bemessenen Mandatskontingent gedeckt ist.
    • Abschaffung der Grundmandatsklausel: Die Abschaffung dieser Klausel bedeutet, dass eine Partei nur noch dann unabhängig vom Erreichen der 5 %-Klausel in den Bundestag einzieht, wenn mindestens drei ihrer Wahlkreiskandidaten ein Direktmandat errungen haben.
    • Sperrklausel: Einige Antragsteller forderten eine verfassungsrechtliche Neubewertung der Sperrklausel.
  4. Verfassungsrechtliche Aspekte: Die Antragsteller und Beschwerdeführer argumentierten, dass die Änderungen des Bundeswahlgesetzes die Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und das Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 GG verletzen.

Der Staat und das Wahlrecht gehört nicht den Parteien. Wer den Bundestag verkleinern will, halbiert einfach die Anzahl der Wahlkreise – 299 Wahlkreise in 2021 – oder schafft die Zweitstimme ab.

Alle Beteiligten und Kläger betonen immer wieder den Wunsch, den Bundestag mit heute 734 Abgeordneten verkleinern zu wollen. Dies ist richtig und unbedingt erforderlich!

Aber warum streicht man nicht einfach jeden zweiten Wahlkreis? Warum so kompliziert, daß sich jede Partei irgendwie berücksichtigt im Wahlrecht wiederfindet?

Das Wahlrecht dient nicht den Parteien, die Parteien dienen der Demokratie und stellen sich dem Souverän – dem Bürger und Wähler zur Wahl.

Die nun zur Verhandlung stehende Wahlrechtsreform schafft defacto die Erststimme und damit das Mehrheitswahlrecht ab. Ein Abgeordneter mit absoluter Mehrheit in seinem Wahlkreis soll sich dem Verhältniswahlrecht aus er Zweitstimme unterwerfen, und so im Zweifel nicht in den Bundestag einziehen können. Warum? Weil man den Bundestag verkleinern will? Damit ist das unter den Tisch kehren von Wählerstimmen für eine bestimmte Person nicht zu rechtfertigen.

Konsequent wäre es dem Wähler mitzuteilen, daß zugunsten bestimmter Parteien die Erststimme und damit die Mehrheitswahl völlig entfällt. Damit würden auch die Themen Ausgleich und Überhang entfallen.

Aber es ist eine Errungenschaft unserer Demokratie, daß wir auch ein Mehrheitswahlrecht gegenwärtig noch haben!

Wer eindeutige Ergebnisse ohne Ausgleich und Überhang mit fester Anzahl von Abgeordneten im Bundestag haben will, der schafft besser die Verhältniswahl ab und läßt nur die Erststimme gelten. Es gäbe 299 direkt gewählte Abgeordnete aus den Wahlkreisen, einen kleinen Bundestag und vielleicht mehr Kompetenz und Bestenauslese, weil die Macht der Parteien über die Aufstellung von Listen zurückgedrängt würde. Parteien, wie die FDP hätten dann einen schweren Stand, aber der Wählerwille – auch in der Beurteilung eines Bundestagskandidaten – käme unmittelbar zum Ausdruck.

Über Sperrklauseln oder Grundmandatsklauseln wäre nicht mehr zu diskutieren – Wahlergebnisse würden eindeutiger.

Aber hat das Bundesverfassungsgericht den Mut, etwas grundlegend Anderes als das Bestehende zu verlangen? Ist das Gericht unabhängig genug?

Denn eins steht fest. Die Parteien werden immer sich selbst optimal bedienen wollen – keiner schafft sich selber ab, auch wenn es für den Erhalt von Demokratie und Rechtsstaat richtig wäre.

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