Mai 8, 2024

Schutz von Wahlhelfern – muß das Strafrecht verschärft werden?

In Brandenburg und Sachsen wurden Wahlkampfhelfer verschiedener Parteien beim Anbringen von Plakaten angegriffen.

  1. Chemnitz, Sachsen: Ein unbekannter Mann entriss einem 37-jährigen Mitglied der Grünen eine Leiter und schlug mit ihr auf ein Plakat ein. Der 37-Jährige wurde leicht verletzt und erstattete Anzeige wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung.
  2. Zwickau, Sachsen: Ein bislang Unbekannter griff in der Nähe des Westsachsenstadions zwei Männer an, die Plakate der Grünen anbrachten. Nach einer verbalen Auseinandersetzung schlug der Angreifer einem der beiden Betroffenen das Handy aus der Hand und flüchtete mit vier Plakaten. Er wurde wegen Diebstahl und Sachbeschädigung angezeigt.
  3. Leipzig, Sachsen: Ein 25-Jähriger wurde beim Anbringen von Wahlplakaten der Partei Volt von Unbekannten angegriffen und verletzt. Einer der Männer äußerte sich abfällig über politische Parteien, woraufhin es zu einem Gerangel kam, bei dem der 25-Jährige ins Gesicht geschlagen wurde.
  4. Schöneiche, Brandenburg: Zwei Kandidaten der Linken im Kommunalwahlkampf wurden von einer Gruppe Jugendlicher beim Aufhängen von Wahlplakaten angegriffen. Ein angetrunkener 14-Jähriger wurde als Hauptverdächtiger festgenommen. Der Bundesvorsitzende der Linken verurteilte den Angriff und forderte eine hohe Priorität bei der Aufklärung solcher Vorfälle und Schutzkonzepte für engagierte Menschen im Wahlkampf.

Es ist besorgniserregend, dass Wahlhelfer und Politiker zunehmend Opfer von Angriffen werden. Kommunale Spitzenverbände fordern, Lücken im Strafrecht zu schließen und solche Vorfälle konsequent zu verfolgen und zu bestrafen.

Der Angriff auf den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten Matthias Ecke hat weitreichende Folgen und löst Entsetzen aus. Hier sind einige der Konsequenzen:

  1. Tatverdächtige gefasst: Nach dem Angriff stellte sich ein 17-jähriger Jugendlicher der Polizei und gestand die Tat. Zudem wurden drei weitere Verdächtige identifiziert. Einer der Tatverdächtigen wird dem rechten Spektrum zugeordnet.
  2. Debatte über Wahlkampfsicherheit: Der Vorfall führt zu Diskussionen über die Sicherheit von Politikern und Wahlkampfhelfern. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert spricht sich gegen eine “Manndeckung” durch Polizisten aus. Es wird über mögliche Konsequenzen aus der Gewalteskalation beraten.
  3. Solidaritätskundgebungen: Tausende Menschen versammelten sich in Dresden und Berlin zu Solidaritätskundgebungen gegen rechte Gewalt.
  4. Politische Reaktionen: Die SPD-Politikerin Nancy Faeser fordert einen besseren Schutz von Politikern und Helfern im Wahlkampf. Die Grünen ziehen ebenfalls Konsequenzen

Aber muß deshalb das Strafrecht verschärft werden?

Im Gespräch sind die §§ 105, 106 StGB – Nötigung von Verfassungsorganen und Mitgliedern von Verfassungsorganen.

Ich sage ganz klar Nein zu weiteren gesetzlichen Maßnahmen und mahne dagegen die konsequente Anwendung des geltenden Strafrechts an, denn die Würde aller Menschen ist unantastbar und alle Menschen – auch Wahlhelfer sind gleich zu behandeln und natürlich zu schützen.

  • § 223 ff. StGB bezeichnen konkret die Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit – von Körperverletzung bis hin zu Schlägerei.

Die Aufgeregtheit der Politik ist vor dem Hintergrund der mangelhaften Durchsetzung und des mangelhaften Vollzuges bestehender strafrechtlicher Regelungen zu sehen.

Auf schwere Körperverletzung steht eine Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren – dies könnte eigentlich ausreichend abschrecken.

Was bedeutet dies konkret bei schwerer Körperverletzung nach § 226 StGB im Fall Matthias Ecke. Hier wurde gezielt auf den Kopf des Opfers eingetreten:

Die Verurteilung eines 17-jährigen Jugendlichen nach § 226 StGB, der schwere Körperverletzung beschreibt, würde unter das Jugendstrafrecht fallen. Dieses ist in Deutschland im Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt und unterscheidet sich vom Erwachsenenstrafrecht, da es mehr auf Erziehung und weniger auf Bestrafung abzielt.

  1. Anwendung des Jugendstrafrechts: Gemäß § 1 JGG gilt das Jugendstrafrecht für Personen, die zur Tatzeit 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind. In besonderen Fällen kann es auch auf Heranwachsende (18 bis unter 21 Jahre) angewendet werden.
  2. Strafzumessung: Im Jugendstrafrecht steht die Erziehung des Jugendlichen im Vordergrund. Die Strafzumessung orientiert sich nicht primär an den im allgemeinen Strafrecht vorgesehenen Strafrahmen, sondern an dem Erziehungsbedarf des Täters. Dies bedeutet, dass die persönlichen Umstände des Jugendlichen, seine Entwicklung, sein soziales Umfeld und die Umstände der Tat besonders berücksichtigt werden.
  3. Maßnahmen nach dem JGG: Statt einer herkömmlichen Strafe können verschiedene Maßnahmen verhängt werden:
    • Erzieherische Maßnahmen: Dazu gehören Weisungen wie regelmäßige Schule- oder Arbeitsbesuch, Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs oder Betreuungsweisungen.
    • Zuchtmittel: Hierunter fallen beispielsweise Verwarnungen, Auflagen (z.B. Schadenswiedergutmachung oder gemeinnützige Arbeit) oder der Jugendarrest.
    • Jugendstrafe: Diese kommt in Betracht, wenn wegen der Schwere der Schuld (hier könnte § 226 StGB relevant sein) oder wegen mangelnder Wirkung anderer Maßnahmen eine intensivere Maßnahme erforderlich ist. Die Jugendstrafe kann in ihrer Dauer von sechs Monaten bis zu zehn Jahren reichen.
  4. Berücksichtigung der Schwere der Tat: § 226 StGB ist ein schweres Delikt, das langfristige oder lebensgefährliche Folgen für das Opfer hat. In einem solchen Fall kann auch für einen Jugendlichen eine Jugendstrafe in Betracht kommen, vor allem wenn die Tat besonders schwerwiegend ist und ein hohes Maß an Schuld aufweist. Die Entscheidung hängt jedoch stark von den individuellen Umständen und der Persönlichkeit des Täters ab.
  5. Verfahrensbesonderheiten: Im Jugendstrafverfahren gelten besondere Verfahrensvorschriften, die unter anderem den Schutz der Persönlichkeitsentwicklung des Jugendlichen sicherstellen sollen. So findet die Hauptverhandlung grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Insgesamt wird die Strafe oder Maßnahme stark von den individuellen Umständen des Falls und des Jugendlichen abhängen. Der zuständige Jugendrichter wird eine Entscheidung treffen, die sowohl den Erziehungsbedarf als auch die Schwere der Tat berücksichtigt.

Zur politischen Ehrlichkeit in diesen Tagen gehört also bestenfalls eine Auseinandersetzung mit dem Jugendstrafrecht, der Strafmündigkeit von Minderjährigen oder dem politischen Klima in einer Gesellschaft, die Minderjährigen das Wahlrecht in Land und Gemeinden zuerkennt, aber die zunehmende Gewaltbereitschaft nicht in den Griff bekommt. Es ist auch völlig irrelevant, ob die Gewalt von rechts, links oder ohne politische Motivation erfolgt: Gewalt bleibt Gewalt und die hat in unserer Gesellschaft nichts zu suchen.

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