Oktober 30, 2025

Sein und Schein in der Politik – Die „Stadtbilddebatte“ geht weiter

Auch am 30.10.2025 ist die Debatte um Merz’ Äußerungen zum sogenannten „Stadtbild“ in vollem Gang – und sie zeigt exemplarisch, wie die Diskrepanz zwischen Sein und Schein nicht nur eine politische Auseinandersetzung darstellt, sondern erst durch die öffentliche Diskussion tatsächlich ein Problem für Menschen wird.

Worum geht es jetzt/ oder immer noch?

Merz hatte geäußert, dass trotz Fortschritten in der Migrations‑ und Integrationspolitik „im Stadtbild“ noch ein Problem bestünde – konkret bezog er sich laut seinen Worten auf Menschen ohne Aufenthaltsstatus, ohne Arbeit und ohne Regelbeachtung. (ZDFheute)

Diese Aussage löste breite Kritik aus:

  • Vertreter:innen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke warfen ihm vor, Migrant:innen pauschal zu stigmatisieren. 

  • Unterstützer wie etwa Boris Palmer (Oberbürgermeister von Tübingen) sahen darin eine notwendige Debatte über Probleme in Innenstädten. (Kölner Stadt-Anzeiger)

  • Auch innerhalb der CDU/CSU wurden kritische Stimmen laut, dass die Aussage zu undifferenziert sei. 

Warum wird durch diese Debatte ein Problem für Menschen?

  1. Schein – das öffentliche Bild: Die Diskussion spielt sich stark im Medium der Symbolik ab – ein „Schlagwort“ wie „Stadtbild“ wird verwendet, das auf Bilder und Gefühle wirkt: Innenstädte, Migrant:innen, Unsicherheit, Rückführungen. Der öffentliche Eindruck wird geprägt, nicht unbedingt die tatsächliche Lage der einzelnen Menschen.

  2. Sein – die reale Lage: Tatsächlich existieren Probleme in einigen Innenstädten – z. B. Drogenhandel, Arbeitslosigkeit, Menschen ohne Aufenthalt – wie Merz und Unterstützer betonen. (Kölner Stadt-Anzeiger)
    Aber: viele der anderen Menschen mit Migrationshintergrund, die täglich arbeiten, die Familie versorgen, integriert sind – werden im öffentlichen Diskurs nicht mitgedacht oder werden durch die Symbolik mitbetroffen.

  3. Die Diskrepanz macht es zum Problem:

    • Wird nur der Schein debattiert – also wie das Bild aussieht, wie es wahrgenommen wird – dann entsteht eine Wahrnehmung, die von vielen als Bedrohung empfunden wird, unabhängig davon, wie groß das reale Problem ist. In der Leserdebatte heißt es etwa: „Wir haben nichts Besseres zu tun, als wochenlang über die politisch korrekte Formulierung einer Stadtbild‑Aussage zu diskutieren, während Wirtschaft und Verwaltung an Dynamik verlieren.“ (Focus)

    • Gleichzeitig spüren Menschen mit Migrations‑ oder Fluchtgeschichte, aber auch Menschen, die einfach nur Teil der Gesellschaft sind und arbeiten, wie durch solche Debatten ein Anschein erzeugt wird: Ihr seid Teil des Problems. Und damit wird ihr Alltag, ihr Leben, ihre gesellschaftliche Teilhabe beeinträchtigt.

  4. Politische Wirkung: Wenn Politiker und Medien vor allem über das Bild („Stadtbild“) diskutieren – und weniger über konkrete Maßnahmen („Sein“) – dann verschiebt sich die Debatte in Richtung Schuldzuweisung, Symbolpolitik und mediale Inszenierung. Das erzeugt Unsicherheit, Ausgrenzung und einerseits Verstärkung von Gefühlen, andererseits weniger echten Lösungen.

Einordnung nach Parteien und Akteuren

  • CDU/CSU (Merz & Co): Sie betonen, dass sie ein Problem benennen – unzureichende Integration, Rückführungen, Ordnung im öffentlichen Raum. Sie sehen das Sein‑Problem.

  • SPD, Grüne, Linke: Sie kritisieren vor allem den Schein – die Sprache, die Zuschreibungen, die Wirkung auf Minderheiten. Sie sehen im öffentlichen Bild eine Spaltung und Ausgrenzung.

  • Medien, NGOs: Oft fokussieren sie stärker auf das Schein‑Moment – wie Debatten geführt werden, welche Bilder erzeugt werden, weniger auf die konkreten Maßnahmen oder ihre Wirkung.

Warum genau „zum Problem für Menschen“?

Weil durch die öffentliche Debatte:

  • Menschen mit Migrations‑ oder Fluchtgeschichte sich stigmatisiert fühlen (als wären sie Teil des Problems).

  • Anwohner und Beschäftigte in Innenstädten, die vielleicht reale Probleme erleben, fühlen sich instrumentalisiert oder ignoriert – weil ihre Lebenswirklichkeit zwar angesprochen wird, aber in Form von Bildern, nicht von Lösungen.

  • Das Vertrauen in Politik und Institutionen sinkt – wenn Debatten mehr aussehen wie Show‑Kampf um Bilder, statt nach echten Verbesserungen zu fragen.

  • Die Gesellschaft insgesamt wird gespaltener: Wer das „Stadtbild“ verteidigt, fühlt sich durch die Kritiker angegriffen, wer die Aussage kritisiert, fühlt sich von der Politik nicht vertreten. Menschen erleben dadurch stärkere soziale Brüche.

Fazit

Die „Stadtbild“-Debatte von Friedrich Merz ist weniger ein reines Sach‑ oder Integrationsthema, sondern zunehmend ein Symptom dafür, wie Politik heute funktioniert: Viel Anschein, wenig Sein. Und genau das erzeugt eine Situation, in der Durchführung, Umsetzung, Wirkung in den Hintergrund treten – während Image, Symbol, Aufregung im Vordergrund stehen.

 

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