FAZ vom 3.4.2025: Wenn Abgeordnete Linksextremen helfen
Mehrere Bundestagsabgeordnete der Linken sind Mitglieder der Roten Hilfe – einem Rechtshilfeverein, den der Verfassungsschutz als linksextrem einstuft. Warum sind die Linken-Politiker dabei?
Der Unterschied zwischen Sein und Schein in der Politik beschreibt eine zentrale Problematik: die Differenz zwischen der tatsächlichen Realität (Sein) und dem äußeren Anschein oder der öffentlichen Darstellung (Schein).
Doppelte Standards? Die ungleiche Behandlung von AfD und Die Linke im politischen Diskurs
In der deutschen Politik zeigt sich die Diskrepanz zwischen Sein und Schein besonders deutlich in der öffentlichen und medialen Behandlung zweier politischer Ränder: der Alternative für Deutschland (AfD) und Die Linke. Beide Parteien werden häufig als „extrem“ bezeichnet, jedoch erfährt ihre Bewertung im politischen und gesellschaftlichen Diskurs eine auffällige Ungleichbehandlung.
Schein: Der moralische Antifaschismus und die klare Abgrenzung
Die Partei Die Linke positioniert sich in ihrer Außendarstellung entschieden gegen jegliche Form der Zusammenarbeit mit der AfD. Besonders der thüringische Landesverband hebt seine strikte Ablehnung gegenüber „rechtsextremen, faschistischen oder antidemokratischen Kräften“ hervor. Diese Haltung wird medial und politisch oft als Ausdruck moralischer Standhaftigkeit dargestellt. Der Schein einer Partei, die sich auf der „richtigen“ Seite der Geschichte positioniert – antifaschistisch, demokratisch, menschenrechtsorientiert – wird gepflegt und öffentlich gefeiert.
Die AfD hingegen wird medial, parteipolitisch und gesellschaftlich häufig als politische Paria behandelt. Selbst im parlamentarischen Alltag fordern viele Politiker eine Art „Kontaktverbot“ zur AfD. Jens Spahns Äußerung, es brauche einen normalen Umgang im Parlament mit der AfD, wird bereits als Tabubruch wahrgenommen – obwohl er sich dabei ausdrücklich nicht auf eine Zusammenarbeit, sondern auf die parlamentarische Normalität bezieht.
Sein: Radikalität auf beiden Seiten – aber unterschiedliche Konsequenzen
Ein Blick auf das Sein, also auf die tatsächliche politische Praxis, offenbart jedoch Widersprüche und asymmetrische Bewertungen:
- Extremismusvorwürfe treffen nicht nur die AfD. Auch in der Linken gibt es immer wieder Hinweise auf Kontakte zu extremistischen Organisationen. Ein Beispiel ist die Mitgliedschaft einiger Bundestagsabgeordneter der Linken in der „Roten Hilfe“, einer vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation, die Straftäter aus dem linken Milieu unterstützt – darunter auch Gewalttäter.
- Der Verfassungsschutz beobachtet nicht nur Teile der AfD, sondern auch Strömungen in der Linken, wie die Antikapitalistische Linke oder Teile der Kommunistischen Plattform. Diese Beobachtungen zeigen, dass es auch auf der linken Seite demokratische Grauzonen gibt, über die jedoch im öffentlichen Diskurs weniger gesprochen wird.
- Während AfD-Politiker wegen radikaler Äußerungen oder historischer Relativierungen öffentlich unter Druck geraten (zurecht), stoßen verharmlosende Aussagen zur DDR, linke Militanz oder ideologische Nähe zu autoritären linken Regimen auf deutlich weniger Konsequenz.
Die politische Kultur Deutschlands und das Erbe der Geschichte
Die ungleiche Behandlung lässt sich auch kulturhistorisch erklären. Die deutsche politische Kultur ist durch ein tiefes Misstrauen gegenüber dem rechten Schein geprägt – als Folge der NS-Vergangenheit. Der rechte Populismus wirkt daher ungleich bedrohlicher als sein linker Spiegel. Der Schein des Antifaschismus hat in Deutschland einen hohen symbolischen Wert – auch wenn er nicht immer mit einer durchgehend demokratischen Praxis (Sein) einhergeht.
Die Kritik an der sogenannten „Amerikanisierung“ der politischen Kommunikation – also einer auf Inszenierung und Emotionen abzielenden Politik – trifft vor allem die rechte Seite des Spektrums. Linke Inszenierungen hingegen, etwa Demonstrationen mit radikalen Symbolen oder Solidaritätsbekundungen für linke Aktivisten, werden eher als Ausdruck politischer Moral verstanden denn als potenzielle Gefährdung des demokratischen Diskurses.
Die Doppelmoral schwächt die Demokratie
Das Problem liegt nicht darin, dass die AfD zu scharf kritisiert würde – sondern darin, dass gleichzeitige demokratische Standards nicht konsequent auf alle politischen Kräfte angewandt werden. Wenn die radikalen Tendenzen innerhalb der Linken relativiert oder gar gerechtfertigt werden, während bei der AfD selbst sachliche Parlamentsarbeit mit ideologischer Kontaktschuld belegt wird, entsteht ein Schein von politischer Ausgewogenheit, der dem tatsächlichen Sein widerspricht.
Diese Doppelmoral gefährdet langfristig die Glaubwürdigkeit der demokratischen Institutionen. Denn wer mit zweierlei Maß misst, macht sich angreifbar – gerade von jenen Kräften, die behaupten, das System sei ideologisch verzerrt.
Für eine faire politische Debatte
Eine demokratische Gesellschaft lebt von der offenen Auseinandersetzung – aber auch von Konsistenz im Umgang mit demokratiefeindlichen Tendenzen. Weder rechte noch linke Extremismen dürfen verharmlost werden. Der Unterschied zwischen Sein und Schein muss kritisch reflektiert werden – auf allen Seiten.
Nur so kann politische Glaubwürdigkeit bewahrt und die demokratische Kultur gestärkt werden.